Öffentliche Aufträge werden in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dazu gehören auch die Leistungen im Bereich der Architektur und Flächenplanung.
Vergaberecht: Gutachten bestätigt Rechtskonformität eines alternativen Beschaffungskonzepts
Nach der Streichung der vergaberechtlichen Regelung bei Planungsleistungen (§ 3 Abs. 7 Satz 2 VgVVgV Vergabeverordnung) besteht weiterhin große Verunsicherung bei öffentlichen Auftraggebern, wie die Auftragswertberechnung in diesem Bereich rechtssicher vorgenommen werden kann. Die Möglichkeit einer gemeinsamen Vergabe von Aufträgen für Planungs- und Bauleistungen, kombiniert mit Fachlosbildung, hatte das BMWKBMWK Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in seiner Verordnungsbegründung zur Streichung von § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV angedeutet. Dass dieses Beschaffungskonzept rechtlich zulässig ist, bestätigt nun ein Rechtsgutachten.
Das Gutachten hebt zudem hervor, dass weiterhin der Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe einzuhalten ist. Dies bedeutet, dass die zu vergebenden Leistungen auch bei diesem alternativen Beschaffungskonzept in Fach- und Teillose aufzuteilen sind.
„Das alternative Beschaffungskonzept ist vergaberechtskonform, denn im Europarecht wird die sogenannte Beschaffungsautonomie des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers anerkannt. Der Ausübung seiner Beschaffungsautonomie sind insoweit keine Grenzen gesetzt“, bestätigt Prof. Dr. jur. Martin Burgi, Leiter der Forschungsstelle für Vergaberecht und Verwaltungskooperationen Ludwig-Maximilians-Universität München, und Autor des Gutachtens.
Das Rechtsgutachten wurde gemeinsam von Bundesingenieurkammer, Bundesarchitektenkammer, AHOAHO Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V. (Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V.) und VBIVBI Verband Beratender Ingenieure – Verband Beratender Ingenieure in Auftrag gegeben.
Schwellenwerte
Das Wie der Vergabe von Planungsleistungen richtet sich nach Schwellenwerten. Sie werden alle zwei Jahre von der Europäischen Kommission angepasst, zuletzt im November 2023 für die Zeit ab dem 1.1.2024. Erreicht oder überschreitet der geschätzte Auftrags- oder Vertragswert den Schwellenwert, richtet sich die Vergabe nach GWBGWB Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und VgV. Unterhalb der Schwellenwerte gelten auf Bundesebene §§ 50 und 52 UVgOUVgO Unterschwellenvergabeordnung.
Ab dem 1.1.2024 gelten diese Schwellenwerte:
öffentliche Bauaufträge | 5.538.000 EUR |
öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträge, die von zentralen Regierungsbehörden vergeben werden | 143.000 EUR |
öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträgen, die von subzentralen öffentlichen Auftraggebern vergeben werden | 221.000 EUR |
Vom 1.1.2022 bis zum 31.12.2023 gelten diese Schwellenwerte
öffentliche Bauaufträge | 5.382.000 EUR |
öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträge, die von zentralen Regierungsbehörden vergeben werden | 140.000 EUR |
öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträge, die von subzentralen öffentlichen Auftraggebern vergeben werden | 215.000 EUR |
Weshalb das günstigste Angebot nicht automatisch die beste Wahl ist
Vor dem Hintergrund des zunehmenden Preiswettbewerbs hat die Bundesarchitektenkammer eine Argumentationshilfe erarbeitet, um es Mitarbeitenden in den Vergabestellen zu erleichtern, bei Planungsleistungen vorrangig auf den Leistungswettbewerb zu setzen. Erfahrungsberichte haben gezeigt, dass bei vielen hierzu grundsätzlich Bereitschaft besteht, dies aber mehr Begründungsaufwand erzeugt als der Vergleich der Honorarangebote.
In den neuen Begründungshilfen für den Öffentlichen Auftraggeber wird dargelegt, warum bei Vergabeverfahren der günstigste Anbieter nicht immer automatisch die beste Wahl ist. Mit dem Wegfall der verbindlichen Höchst- und Mindestsätze der HOAIHOAI Honorarordnung für Architekten und Ingenieure stellt sich für Auftraggeber- wie Auftragnehmerseite nicht nur die Frage nach der Auskömmlichkeit von Honoraren außerhalb der HOAI-Tabellenwerte. Vielmehr hat diese Frage auch Einfluss auf die Systematik öffentlicher Vergabeverfahren – und die Baukosten. Der Preis darf bei Architekturleistungen durchaus eine, wenn auch untergeordnete Rolle spielen, wenn Wirtschaftlichkeit, Honorare und Lebenszykluskosten insgesamt betrachtet werden.
Informationen zum aktuellen Vergaberecht
Zuvor wurde das deutsche Vergaberecht in den Jahren 2016 und 2017 auf dem Hintergrund europäischer Vorgaben oberhalb der Schwelle weitreichend modernisiert.
Erreicht oder überschreitet der geschätzte Auftrags- oder Vertragswert den festgelegten Schwellenwerte, so finden auf das jeweilige Vergabeverfahren nunmehr insbesondere die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) Anwendung.
Die VgV ersetzt unter anderem die Vergabeordnung für freiberufliche Dienstleistungen (VOFVOF Vergabeordnung für freiberufliche Dienstleistungen).
Die VgV bietet die Chance, Vergabeverfahren effizient durchzuführen sowie die Qualität der Leistung bei der Vergabe stärker zu gewichten. Kleineren und mittleren Unternehmen wird der Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtert.
Der kostenlos downloadbare Praxisleitfaden zur Vergabe von Architektenleistungen enthält hierfür Empfehlungen und Grundlagen. Er wurde von den Planerverbänden und den kommunalen Spitzenverbänden gemeinsam erarbeitet. Die Kooperation von Auftraggeber- und Auftragnehmerseite dokumentiert den gemeinsamen Willen, der großen gesellschaftspolitischen Bedeutung des Bauens bereits im Vergabeverfahren mit einem hohen Anspruch an die Qualität der Planungsleistung gerecht zu werden.
Neu erschienen ist auch ein Leitfaden für Partizipation in Vergabeverfahren, an dem die BAKBAK Bundesarchitektenkammer ebenfalls mitgewirkt hat.
Unterhalb der Schwelle gelten auf Bundesebene für die Vergabe von Architektenleistungen die §§ 50 und 52 der Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (UVgO). In den einzelnen Bundesländern sind in diesem Bereich die jeweils einschlägigen vergabe- und haushaltsrechtlichen Regelungen maßgeblich, die sich zum Teil an der UVgO orientieren, im Einzelfall aber davon abweichen können.
Rahmenvereinbarung für Seriellen und Modulares Bauen
Das Bundesbauministerium (jetzt BMIBMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat) und der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdWGdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. haben gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer und dem Hauptverband der deutschen Bauindustrie ein europaweit ausgeschriebenes, wettbewerbliches Verfahren zum „Seriellen Bauen“ ausgelobt. Die Bewerbungsfrist endete am 27.7.2017. Die eingereichten Konzepte prüfte und bewertete ein eigens einberufenes Bewertungsgremium, welches sich aus Experten der Bau- und Wohnungswirtschaft, dem Forschungsbereich sowie Vertretern des Bundesbauministeriums zusammensetzte.
Am 29.5.2018 erhielten neun Bieter den Zuschlag für ihre innovativen Wohnungsbaukonzepte, aus denen Mitgliedsunternehmen des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW auswählen können. Dazu hat der GdW als Initiator der Ausschreibung im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit BAK, BMI und HDBHDB Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. eine Rahmenvereinbarung unterzeichnet. Wohnungsunternehmen erhalten mit der Vereinbarung die Möglichkeit, ihre Wohnungsneubauprojekte schneller, kostengünstig und in hoher Qualität zu realisieren. Die Zeitersparnis soll sich insbesondere dadurch ergeben, dass Teile der Projektausschreibung und Projektvergabe sowie der Planung des Wohnungsbaus durch die Rahmenvereinbarung vorweggenommen werden und durch kürzere Baustellenzeiten dank Vorfertigung von Bauteilen.
Aus den neun Angeboten der Rahmenvereinbarung können Wohnungsunternehmen das für sie passende Modellgebäude auszuwählen und den ausgewählten Konzeptentwurf nach Anpassung an die lokalen Gegebenheiten direkt realisieren. Bei einem Fachkongress des BMI gemeinsam mit GdW, BAK und HDB am 13.9.2018 konnten sich Interessierte über die Projekte informieren. Am 7.12.2018 fand auf Einladung von BMI und BBSRBBSR Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung der 1. Workshop „Evaluationskonzept für die Umsetzung der Rahmenvereinbarung Serielles und Modulares Bauen“ statt. Der Workshop leitet die Erarbeitung eines Evaluationskonzepts ein, für welches die InWIS Forschung & Beratung GmbH und das Institut für Angewandte Bauforschung Weimar gGmbH beauftragt sind.